Wien. Der VKI hat eine Sammelklagen-Aktion gegen VW mit den Kanzleien BKP und Poduschka gestartet. Die konkurrierende Sammelaktion von Cobin Claims hat Anwalt Benedikt Wallner an Bord. Verbraucher haben nun die Wahl. Der VKI rechnet mit bis zu 15.000 Klägern.
Konkurrenz belebt das Geschäft: Nach der jungen Sammelklagen-Plattform Cobin Claims hat nun das österreichische Verbraucherschützer-Flaggschiff VKI eine weitere Sammelaktion gegen VW gestartet.
Private VW-Kunden haben dabei grundsätzlich die Wahl, sagt Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI, gegenüber Extrajournal.Net: Sie können sich entweder der Sammelaktion des VKI oder der von Cobin Claims anschließen – aber nicht beiden.
Die Sammelaktionen sind ähnlich aufgebaut: VW-Geschädigte übertragen ihre Ansprüche an einen gemeinsamen Kläger, der juristisch gegen Volkswagen in den Ring steigt.
Ein Prozessfinanzierer bezahlt die Klage und erhält im Erfolgsfall einen beträchtlichen Erfolgsanteil. Dafür müssen die beteiligten Einzelpersonen nicht das – andernfalls enorme – Prozesskostenrisiko tragen.
- „Wir vom VKI wollen alle für die Verbraucher angefallenen Schäden einklagen und nicht nur manche“, sieht Hirmke private Kläger besser bei sich aufgehoben: Er rechne mit einer großen Beteiligung – es könnten durchaus 15.000 Teilnehmer werden oder mehr. Ein weiterer Unterschied: Beim VKI liegt der Kostenanteil des Financiers zwischen 10 und maximal 37,5 Prozent, je nachdem wie lang die Klage dauert. Der Höchstwert wird erst in 3. Instanz erreicht. Dagegen berappt Cobin Claims fix 35 Prozent. Wer also fest überzeugt ist, dass Europas größter Autokonzern vor Gericht schon bald klein beigibt – oder es früh zu einem Vergleich kommt – wäre beim VKI theoretisch besser aufgehoben.
- Privatkunden, die eine Rechtsschutzversicherung haben, sollten allerdings nicht über eine Sammelaktion, sondern über ihre Versicherung klagen, empfiehlt Hirmke – denn bei ihnen gibt es dann gar keinen Kostenanteil des Prozessfinanzierers.
- Gewerbliche Volkswagen-Kunden haben dagegen keine Wahl: Der VKI ist als Verbraucherschutzorganisation für sie schlicht nicht zuständig. Cobin Claims nimmt Selbständige und Unternehmer dagegen als Kläger an. Wollen sie das nicht, so bleibt ihnen nur der Gang zur Rechtsschutzversicherung – immer vorausgesetzt eine solche ist vorhanden und deckt die Klage auch ab.
Worum es geht
In Österreich laufen zum VW-Dieselskandal seit geraumer Zeit Ermittlungen bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Auch der VKI hat dort bereits vor längerer Zeit eine Strafanzeige eingebracht und rund 5000 Konsumenten als Privatbeteiligte angeschlossen.
Es gebe mittlerweile auch Urteile in Deutschland und Österreich, in denen Gerichte zum Ergebnis kommen, dass VW bewusst und vorsätzlich den Emissionswert manipuliert habe und daher der Verkauf dieser Fahrzeuge durch VW gegen die guten Sitten verstößt.
Beides – Strafverfahren und diese Urteile – zeigt laut VKI, dass eine Haftung von VW für die Folgen der bewussten Softwaremanipulation deutlich im Raum steht.
Die Zeit drängt laut VKI
Geschädigte laufen nun allerdings Gefahr, dass ihre Ansprüche per 18.9.2018 verjähren. Der VKI habe daher gemeinsam mit den beiden Anwaltskanzleien Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH und Poduschka Anwaltsgesellschaft GmbH ein Sammelklagenkonzept entwickelt.
Dabei werden die einzelnen Ansprüche gebündelt und österreichweit bei Gerichten eingebracht. Eine einzige Sammelklage an einem Gericht sei rechtlich leider nicht möglich, da der Gegner – die VW AG – im Ausland sitzt und die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen dies nicht erlauben.
Die Einklagung der Ansprüche bei Gericht sei erforderlich, um eine Verjährung von Ansprüchen zu vermeiden. Die Finanzierung und das Prozesskostenrisiko übernimmt dabei die deutsche Roland ProzessFinanz AG (Köln).
Durch die Prozessfinanzierung tragen Teilnehmer selbst kein Prozesskostenrisiko, es falle nur ein Kostenbeitrag für den Organisationsaufwand des VKI an, wird versprochen.
Im Erfolgsfall behält Roland allerdings eine Quote zwischen 10 und 35 Prozent, abhängig davon, in welchem Stadium der Streit beendet wird. Sollte eine Beendigung erst in der 3. Instanz erfolgen, beträgt die Quote 37,5 Prozent.
Der Organisationskostenbeitrag beträgt 120 Euro. Wenn man sich dem Strafverfahren über den VKI bereits als Privatbeteiligter angeschlossen hat, beträgt der Organisationskostenbeitrag 50 Euro.
Und was ist der Schaden?
- Der Schaden bestehe vor allem in einer Wertminderung der betroffenen Fahrzeuge. Ein Gutachten komme zu einer deutlichen Wertminderung, die mehr als 20 Prozent betragen kann. In den Sammelklagen soll eine Wertminderung von voraussichtlich 20 Prozent des Kaufpreises eingeklagt werden, heißt es.
- Neben einer Wertminderung liege es nach einer Umfrage des VKI in Österreich und Umfragen in weiteren europäischen Ländern bei betroffenen Fahrzeughaltern nahe, dass Folgeschäden entstehen werden, und zwar gerade im Zusammenhang mit dem von den meisten Betroffenen bereits durchgeführten Software-Update. Als negative Folgen kommen ein gestiegener Treibstoffverbrauch, reduzierte Leistung (trotz Software-Update), ein erhöhter Verschleiß – insbesondere des Abgasreinigungssystems (trotz Softwareupdate) – in Betracht, so der VKI. Auch dies werde in der Klage geltend gemacht.
Teilnehmen können beim VKI Verbraucher, die:
- ein Fahrzeug der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Dieselmotor vom Typ EA 189 erworben haben (Baujahre 2008 – 2015),
- die das Fahrzeug in Österreich vor dem 18.9.2015 gekauft haben, unabhängig davon, ob sie das Fahrzeug noch besitzen oder nach dem 18.9.2015 verkauft haben
- deren Fahrzeug in Österreich erstzugelassen und in Österreich übernommen wurde
- Und bei denen es sich nicht um Leasingfahrzeuge mit aufrechtem Leasingvertrag und Firmenfahrzeuge handelt
Zur Teilnahme ist das Ausfüllen eines Online-Fragebogens und die Übermittlung von Unterlagen bis zum 20.5.2018 erforderlich, so der VKI.
Wer sich bisher nur dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen habe, könne nicht davon ausgehen, im bzw. über das Strafverfahren Schadenersatz zu bekommen. Der VKI empfehle auch in diesen Fällen eine Teilnahme an der Sammelklagen-Aktion.
„Der VKI wird mit allen Kräften gegen VW vorgehen. Mit der Roland ProzessFinanz und dem Sozialministerium bzw. der Bundesarbeitskammer als Auftraggeber hat der VKI dafür starke Partner“, so Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI.
„Wir unterstützen mit dieser Aktion ein weiteres Mal die österreichischen Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Durch das Engagement von VKI, Sozialministerium und Bundesarbeitskammer hat der österreichische Verbraucherschutz Vorbildfunktion in Europa“, meint Arndt Eversberg, Vorstand der Roland ProzessFinanz.
Und die Konkurrenz?
Vor wenigen Tagen ist bereits die Sammelaktionen-Plattform Cobin Claims gegen VW in den Ring gestiegen. Bei ihr können sich Betroffene bis zum 15. August 2018 der Klage anschließen.
Dabei setzt Cobin Claims auf Benedikt Wallner, einen bekannten Wiener Verbraucheranwalt. Als Prozessfinanzierer tritt bei Cobin Claims die britische Calunius Capital auf.
Und Volkswagen?
Die Volkwagen AG ist nicht glücklich mit den gegen sie in Europa angestrengten Sammelaktionen, musste sie doch bereits in den USA Milliardenbeträge an Verbraucher bezahlen.
Man weist die Vorwürfe zurück, verweist weiters auf die bereits für die Kunden getroffenen Maßnahmen. Und selbstverständlich gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.
Quelle: Thomas Hirmke, https://extrajournal.net/2018/04/19/vw-sammelklage-vki-oder-cobin-claims/ 19.4.2018