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Dieselgate. Klagen von Autobesitzern häufen sich – auch in Österreich. Und ein besonders brisanter Fall aus Deutschland liegt beim EuGH.
Wien. Wann kommt endlich das erste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Dieselskandal? Wir wissen es nicht – zumal der Schlussantrag des Generalanwalts in Sachen VW, der für 23. Jänner angekündigt war, immer noch aussteht.
Aber auch in einem Verfahren gegen Daimler liegt inzwischen ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof in Luxemburg,
eingebracht wurde es vom deutschen Landgericht Frankenthal. Es geht dabei um das sogenannte Thermofenster – was insoweit brisant ist, als alle Dieselfahrzeuge eine solche Steuerungssoftware haben. Vereinfacht gesagt fährt sie die Abgasreinigung bei bestimmten äußeren Bedingungen herunter, vor allem bei niedrigen Temperaturen. Das sei nötig um zu verhindern, dass am Motor Schäden durch Versottung entstehen, argumentieren die Autobauer.
Und tatsächlich kann laut EU-Recht eine Abschalteinrichtung ausnahmsweise erlaubt sein, wenn sie „notwendig“ ist, um den Motor vor Schäden zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Das deutsche Gericht will nun vom EuGH wissen, wie diese Bestimmung auszulegen ist: Besteht eine solche „Notwendigkeit“ nur dann, wenn auch unter Einsatz der „für das jeweilige Fahrzeugmodell verfügbaren Spitzentechnologie“ der Schutz des Motors sonst nicht gewährleistet werden kann? Oder kommt es dabei auch auf die wirtschaftliche Leistbarkeit einer Alternativlösung an? Und welche Rolle spielt es, wenn dann aufgrund der Witterungsverhältnisse die Abgasreinigung den Großteil des Jahres nur eingeschränkt oder gar nicht funktioniert? Von den Antworten des EuGH hängt nun viel ab, im äußersten Fall könnte eine Klageflut auf die Autobranche zukommen. Auch in Österreich sind Verfahren zum Thermofenster anhängig. Es gibt dazu auch bereits – divergierende – zweitinstanzliche Urteile, aber keine höchstgerichtliche Entscheidung.
Warten auf Rückrufschreiben
Die meisten heimischen Verfahren in Sachen Abgasskandal betreffen den VW-Konzern, es gibt aber auch hier erste Klagen gegen Daimler. Ausgangspunkt sind Fahrzeugrückrufe durch das deutsche Kraftfahrbundesamt (KBA) – wobei Daimler aber nach wie vor bestreitet, gegen Vorschriften verstoßen zu haben. Strittig ist dabei auch, wann die Emissionsgrenzwerte überhaupt eingehalten werden müssen – nur unter den „gesetzlichen Prüfbedingungen“ oder auch im normalen Fahrbetrieb.
Aber was können Fahrzeugbesitzer tun? „Betroffen ist man, sobald man ein Rückrufschreiben bekommt“, sagt Rechtsanwältin Isabella Jorthan (Kanzlei Wallner Jorthan). Man kann auch auf der Website von Daimler prüfen, ob es für das eigene Fahrzeug einen Rückruf gibt oder eine „freiwillige Servicemaßnahme“ dafür angeboten wird.
Gegebenenfalls sollte man das angebotene Softwareupdate nicht überstürzen, sondern rechtlichen Rat suchen, empfiehlt die Juristin. Solange man kein Rückrufschreiben hat, gebe es auch kein Verjährungsproblem. Klagen könne man auf Rückabwicklung des Kaufs – „das machen wir am häufigsten“ – oder auf Schadenersatz (mit dem Argument, dass das Nichteinhalten der Abgasnormen eine Wertminderung darstellt). Bei der Rückabwicklung verlangt man gegen Rückgabe des Autos den Kaufpreis samt Zinsen zurück. „Vorsichtshalber“ werde dabei ein Benützungsentgelt in geringer Höhe abgezogen, sagt Jorthan.
Wie gesagt, all das ist nicht ausjudiziert – was auch daran liegt, dass schon etliche Fälle im Sand verlaufen sind, bevor sie es bis zum Höchstgericht geschafft haben. Die Vermutung liegt nahe, dass sie letztlich durch Vergleich beigelegt wurden. Natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit.
Quelle: Christine Kary, DIE PRESSE, 11.02.2020