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Das Oberlandesgericht Wien befand das Softwareupdate für VW-Diesel für unbefriedigend. Die Software mache Fahrzeuge nicht mangelfrei
Von Landesgericht zu Landesgericht tasten sich geschädigte VW-, Audi-, Skoda- und Porsche-Dieselautobesitzer vor. Anfang Juli, knapp vier Jahre nach Auffliegen der Dieselabgasmanipulationen, versetzte das Oberlandesgericht Wien (OLG) dem Volkswagen-Konzern einen Dämpfer. Mit Beschluss vom 5. Juli stellte der OLG-Senat unter Vorsitz von Präsidentin Maria Schrott-Mader fest, dass der 2016 beim Händler Porsche Inter Auto in Wien-Liesing gekaufte Audi Q5 eines Niederösterreichers allein durch die Durchführung des Softwareupdates nicht mangelfrei gestellt wurde.
Für allfällige (negative) Auswirkungen der Motorsteuerungssoftware auf Verbrauch, Leistung, Beschleunigung oder Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs ist laut OLG (5 r 66/19s) nicht der Kläger beweispflichtig, sondern Volkswagen. Der beklagte Händler, also die von Generalimporteur Porsche Austria schad- und klaglos gestellte Porsche Inter Auto, "kann sich nicht auf die Schwierigkeit des Negativbeweises berufen", schreibt das OLG in dem Beschluss, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien aufgehoben wurde und der dem STANDARD vorliegt. Der Beklagten sei "der Beweis einer geeigneten Mangelbehebung nicht gelungen. Es sei nach wie vor von Mangelhaftigkeit des Pkws auszugehen".
Volkswagen beweispflichtig
Diese Feststellung fügt sich nahtlos an andere Urteile, in denen österreichische Landesgerichte das vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verordnete Softwareupdate teils als unzumutbar erkannt hatten – eben weil Volkswagen für allfällige Folgen nicht haftet. Da der Wolfsburger Konzern die Offenlegung des Quellcodes der alten und neuen Softwaresteuerung beharrlich verweigert, können diverse von Gerichten bestellte Sachverständige die Auswirkungen nicht simulieren und überprüfen.
Bei Porsche Austria reagiert man harsch auf den OLG-Spruch: "Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien gegen einen Händlerbetrieb ist verfehlt und stellt eine Mindermeinung dar." Ob man das OLG-Urteil vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) bekämpfen wird, lässt eine Sprecherin offen: Nach bisheriger und einhelliger Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Linz, Innsbruck sowie Wien sei der die Wandlung des Fahrzeugkaufs begehrende Kläger "dafür beweispflichtig, dass eine Verbesserung gar nicht möglich oder gescheitert ist", heißt es in der Stellungnahme unter Hinweis auf einen Beschluss des OLG Linz vom 12. Juni (1 R 20/19w). Das Fahrzeug sei unstrittig verkehrs- und betriebssicher, daher bestehe keine Grundlage auf Rückgabe des Fahrzeugs.
46 Abweisungen
Und überhaupt seien von 122 erstinstanzlichen Urteilen in der Thematik um manipulierte Stickoxidwerte mehr als 90 klagsabweisend gewesen, auch die Oberlandesgerichte Wien, Linz, Graz und Innsbruck sowie weitere Berufungsgerichte hätten in der Mehrheit die Position der Händlerbetriebe bzw. Hersteller bestätigt. Es gebe bereits 46 Klagsabweisungen in der zweiten Instanz, listet die Volkswagen-Tochter auf.
Klägeranwalt Benedikt Wallner von Wallner Jorthan Rechtsanwälte sieht in dieser Argumentation lediglich "Rückzugsgefechte". Entscheidend seien ausschließlich höchstgerichtliche Leitentscheidungen. Mit der Beteuerung, die upgedateten Fahrzeuge seien "unstrittig verkehrs- und betriebssicher", versuche Volkswagen lediglich, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. "Aber das OLG Wien wischt diesen hellsichtig aus denselben", sagt Wallner mit Verweis auf einen OLG-Beschluss vom 2. Februar.
"Negative Abweichung"
Demnach stellt "bereits die – unstrittig auf den Zustand des Fahrzeuges bei Übergabe zurückzuführende – Notwendigkeit, das betroffene Fahrzeug einem Softwareupdate zu unterziehen, um die Auflagen des deutschen KBA zu erfüllen und eine drohende Untersagung des weiteren Betriebes zu vermeiden, eine negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Neufahrzeug dar."
Das OLG Wien übrigens empfiehlt einen Rekurs an den OGH geradezu: "... weil der Beurteilung der Mangelhaftigkeit ... aufgrund der Vielzahl an zum 'VW-Skandal' gerichtsanhängigen Verfahren eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt."
Bisher hat Volkswagen den Gang zu dem wie das OLG Wien im Justizpalast amtierenden OGH gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Es wird beharrlich bestritten, dass eine verbotene Abschaltlogik eingebaut war (obwohl vom KBA attestiert) und dass es sich um Abgasbetrug handelte, den Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess im Juni in der ZDF-Talkshow Markus Lanz, übrigens freimütig eingestanden hatte: "Das, was wir gemacht haben, war Betrug, ja."
Wiewohl von VW relativiert als "Aussage, die nicht im rechtstechnischen Sinn" zu verstehen sei und auch an der Position nichts ändere, zieht das Landgericht Oldenburg in einem aktuellen Beschluss genau diese Aussage Diess' heran: Die Erklärung sei als Abkehr von der bisherigen Sprachregelung zu werten. Diess übernehme mit diesem "Wir" Verantwortung, bekenne sich zur Schuld des Unternehmens.
Quelle: derstandard.at, Luise Ungerboeck, 13.7.2019